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Forschung aktuell

Die konstantinische Bischofskirche in Ostia

Im Rahmen eines neu bewilligten DFG-Projekts zur Untersuchung der konstantinischen Bischofskirche in Ostia (link) fand vom 7.8 bis 16.9.2023 eine erste Feldforschungskampagne statt. Ziel des auf fünf Jahre angelegten Vorhabens ist eine möglichst detaillierte Untersuchung des historisch äußerst bedeutenden Kirchenbaus sowie die Klärung der Vorgängerbebauung. Es wird federführend von den Universitäten Bonn und Köln sowie dem Deutschen Archäologischen Institut in Rom durchgeführt. Von Seiten der Università ‚La Sapienza‘ erfolgt die Fundbearbeitung, der Parco Archeologico di Ostia unterstützt die Grabung logistisch.

Am Beginn der Kampagne musste zunächst ein neues Messnetz aufgebaut werden, das für die kommenden Jahre einen zuverlässigen Referenzrahmen gewährleistet. Zur sicheren Verortung der Kirche erfolgte zudem eine Wiederholung der geophysikalischen Prospektionen, welche das 1996 erzielte Ergebnis vollständig bestätigten. Die Ausgrabungen konzentrierten sich in diesem Jahr auf den östlichen Teil der Kirche mit den liturgisch besonders relevanten Bereichen der Apsis und des Presbyteriums. Hierzu wurde eine 20 x 25 m große Fläche geöffnet, die am Ende der Grabung noch partiell nach Westen erweitert wurde.

Wie bereits aus den älteren Untersuchungen von 1996/97 bekannt war, ist der Erhaltungszustand des Kirchenbaus insbesondere im östlichen Bereich fragmentarisch. Einerseits liegen die Kirchenreste knapp unter dem Humus und war lange Zeit landwirtschaftlicher Nutzung ausgesetzt. Andererseits bestätigte sich, dass der Bau im 8./9. Jh., d.h. nach der endgültigen Aufgabe Ostias, systematisch spoliiert wurde. Im Ergebnis sind im östlichen Bereich nur noch die Grundmauern und tieferliegenden Bodenbefunde erhalten.

Freigelegt wurde der gesamte östliche Abschluss der Kirche mitsamt der äußeren Mauerzüge, der Apsis sowie den Fundamentzügen der Säulenstellungen des Mittelschiffs. An ausgewählten Stellen wurden gezielte Tiefsondagen durchgeführt, die teilweise bis zum gewachsenen Sandboden reichten. Dabei ergaben sich für den Kirchenbau zahlreiche neue Erkenntnisse. Beispielsweise konnte für die ursprüngliche konstantinische Phase am Ansatz der Apsis eingezogene Fundamentpfeiler beobachtet werden, die für die Aufstellung zweier die Apsis säumender Säulen sprechen – ein bislang erstmalig im konstantinischen Kirchenbau nachweisbares Motiv. Ferner zeigte sich, dass bei der ursprünglichen Anlage der Kirche sehr differenzierte Fundamentierungstechniken angewandt wurden, wobei insbesondere die Unterbauten der Mittelschiffsstützen mit einer Tiefe von 3 m besonders massiv und in Gestalt holzverschalter Caementicium-Fundamente ausgeführt waren. Zudem ergaben sich neue Erkenntnisse zur Baugeschichte. Vermutlich im Verlauf des 5. Jhs. wurde im Mittelschiff eine durch niedrige Mauerzüge gebildete, ungewöhnlich lange schola cantorum installiert, die – beginnend bei der Apsis – über mind. 20 m nach Westen verfolgt werden konnte, ohne den ursprünglichen Abschluss erreicht zu haben. Im selben Zeitraum begann man in Mittel- und Seitenschiffen mit der Einbringung von Bestattungen, die allerdings nur noch in ausgeraubten Grabgruben und zahlreichen Sarkophagfragmenten nachweisbar waren. Im 6./7. Jh. wiederum scheint ein schweres Zerstörungsereignis stattgefunden zu haben, welches zu umfangreichen Renovierungsmaßnahmen im Apsisbereich geführt hat. Dabei wurde zur Aussteifung eine massive Apsissehne eingezogen, die einen älteren, nur noch im Fundamentnegativ nachweisbaren Altar zerstört zu haben scheint.

Auch in Bezug auf die Vorgängerbebauung ergaben sich neue Evidenzen. Während die älteren Untersuchungen aus den Jahren 1997/98 im westlichen Kirchenbereich die Existenz einer hadrianischen Insula und eines nochmals tieferliegenden frühkaiserzeitlichen Gebäudes belegen konnten, zeigten die nun im Osten der Kirche durchgeführten Tiefsondagen, dass dieser Bereich östlich der Insula stets unbebaut geblieben war, aber mit verschiedenen Planierungen die wiederholten kaiserzeitlichen Niveauerhöhungen des übrigen Stadtgebiets mitvollzogen hat. Deutlich ausgeprägte Pflugspuren oder Pflanzgräben auf dem Nutzungshorizont unmittelbar vor Anlage des konstantinischen Kirchbaus zeigen zudem, dass das Areal zu diesem Zeitpunkt landwirtschaftlich genutzt wurde.

Nach Abschluss der Kampagne wurde die Grabung aus konservatorischen Gründen wieder vollständig verfüllt. Die Arbeiten konzentrieren sich jetzt auf die Auswertung und Materialanalyse.

Link: Projektseite

Verantwortliche: S. Feist (Bonn), M. Heinzelmann (Köln), N. Zimmermann (DAI Rom), E. Borgia (Rom)

Teilnehmende: S. Feist, M. Heinzelmann, N. Zimmermann (Projektleitung), E. Borgia (Leitung Fundbearbeitung), H. Boes, A. Schröder (Koordination und Grabungsorganisation), C. Avenarius, M. Berger, K. Göttsch, J. Knechtel, L. van der Schüür, (Schnittleitung), B. Bartz, R. Beck, M. Beermann , F. Becker, J. Chowanietz, K. Gering, O. Heldt, S. Kinsey, L. Kubalatara, I. Matschoke, S. Meister, J. Neyer, A. Packham, R. Pagliari, R. Rosini, D. Schnalke, F. Trevisan, D. Zubko (Grabung), M. Elefante, F. Russo (Fundbearbeitung), D. Heinzelmann (Bauaufnahme), F. Capriuoli (Laserscanning).

KooperationenDeutsches Archäologisches Institut RomAbt. Christliche Archäologie Universität BonnUniversità ‚La Sapienza‘ RomParco Archeologico di Ostia antica

FinanzierungDeutsche Forschungsgemeinschaft